Sollten sich bei der Schilderung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der 'Bild'-Zeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.Dass sich reisserische Storys nicht immer bezahlt machen, ist nicht neu, und auch gewisse journalistische Praktiken und Verhaltensmuster von Betroffenen sind altbekannt. In diesem Buch sieht jedoch alles anders aus und die Art der ZEITUNG verändert so manches Menschenlebens.
Die Hauptfigur wird von verschiedenen Seiten unterschiedlich charakterisiert. Eine erste Einschätzungen der Roman-Heldin zeigt einem der Autor vorneweg: Katharina kommt aus dem Griechischen und steht für die Reine, die Geläuterte. Blum verweist auf die Blume. Somit handelt es sich um eine reine Blume. Diese ist den Gefahren der Umwelt ziemlich wehrlos ausgesetzt, was ihr zukünftiges Verhalten erklärt, eine Handlung aus Hilflosigkeit und Verzweiflung. Katharina eine fleissige und strebsame Hausangestellte. Sie hat ihren Mann nach nur einem halben Jahr Ehe verlassen, denn er sei eben nie zärtlich, sondern immer zudringlich gewesen. Im Verlauf der Erzählung erfährt Katharina weitere Charakterisierungen, positive durch ihre Freunde (Woltersheim, Blornas), negative durch ihre Feinde (Beizmenne, Tötges, Brettloh). Katharina wird allgemein als distanziert beschrieben und hin und wieder als 'Nonne' bezeichnet. Ein genau umgekehrtes Bild zeit die Presse von ihr. Sie bechreiben sie als Mörderbraut und Räuberliebchen. Zudem stellt die ZEITUNG tausende von geleugneten Fakten über Katharina Blum in die Öffentlichkeit, was Katharina verzweifeln lässt. Ist eine reine Blume zu einem Mord fähig? Dazu meint Böll im Anfang seiner Erzählung:
Es wird ja noch geklärt werden, warum eine so kluge und fast kühle Person wie die Blum den Mord nicht nur plante, sondern auch ausführte.
Sie fühlt sich zunehmend hilflos, was schliesslich zu ihrer Vereinsamung führt. Schliesslich lädt sie den ZEITUNGS-Reporter Tötges zu einem Exklusivinterview ein. Dieser kommt mit einer anzüglichen Begrüssung in ihre Wohnung, worauf sie ihn mit mehreren Schüssen niederstreckt.
Wie Böll bereits im Vorspann erwähnt, sind Ähnlichkeiten zwischen der ZEITUNG und der 'Bild'-Zeitung unumgänglich. Tatsächlich sind ihre Ähnlichkeiten im Vorgehen, im Schreibstil und in der Art der Berichterstattung erschreckend. Sehr schön dargestellt werden die Methoden der Informationsverfälschung. Böll zeigt auf, wie die Aussagen der Verhörten verfälscht werden. Ebenso führt er vor Augen, dass Übertreibung, Verleumdung, provozierende Fragen, Schwarzweiss-Malerei, Unterschlagung und falsche Gewichtung von Informationen zu einer fast vollständigen Umdrehung der Tatsachen führen können. Dies löst bei den ZEITUNGS-Lesern zwei unterschiedliche Reaktionen aus: Entweder Betroffenheit, Ablehnung und Entsetzen oder aber der Glaube an das Dargestellte. Katharina weiss, wie einfach sich die Leute in ihrem Umfeld beeinflussen lassen, und glaubt ihr Ansehen und ihre Ehre verloren. Daraufhin macht sie die Erfahrung, dass für den Staat die Pressefreiheit wichtiger ist als der Schutz der Schutz der Privatsphäre.
Eine solch Gesellschaftskritisches Thema, gelungen in ein Buch zu verpacken ist nicht einfach. Ich finde Heinrich Böll ist das hervorragend gelungen und er hat mir eine Nachricht auf den Weg gegeben, die einem bleibt. Ich würde das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen, denn es liefert eine wertvolle Nachricht für das Leben. Heinrich Böll selbst empfiehlt uns allen für unser Leben folgendes:
Das wäre meine Moral: Misstrauisch sein, und wenn man zum Opfer wird, sich wehren dagegen, wie weiss ich nicht. Diese junge Dame wählt diesen Weg, den ich nicht empfehlen kann, aber es gibt andere Möglichkeiten, sich zu wehren und die Unfehlbarkeit der Zeitungen permanent in Frage zu stellen. Das wäre meine Moral." (1992: 240f, aus einem Interview von Dieter Zilligen für NDR, 19.10.1974).
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